Organspende in Deutschland: Eine lebensrettende Entscheidung im Fokus der Politik

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Organspende in Deutschland: Eine lebensrettende Entscheidung im Fokus der Politik (Ein Artikel von Holger Korsten).

Die Organspende in Deutschland bleibt eines der kontroversesten und gleichzeitig lebensrettendsten Themen in der deutschen Gesundheitslandschaft. Trotz technologischer Fortschritte und eines funktionierenden Gesundheitssystems ist die Zahl der Organspenden in Deutschland nach wie vor unzureichend. Dies führt zu langen Wartelisten und vielen Patienten, die dringend auf lebenswichtige Transplantate warten.

Die aktuelle Situation

Im Jahr 2023 gab es in Deutschland 869 postmortale Organspender, die 2.796 Organe spendeten. Diese Zahl scheint zwar hoch, ist aber im Vergleich zu den Bedürfnissen der rund 8.500 Patienten auf der Warteliste unzureichend. Die Diskrepanz zwischen Angebot und Nachfrage ist alarmierend und hat weitreichende Folgen für das Gesundheitssystem und die betroffenen Patienten.

Das Widerspruchsmodell versus die Zustimmungslösung

Im Mittelpunkt der politischen Diskussion steht die Frage, welches Modell zur Organspende die meisten Leben retten könnte. Derzeit gilt in Deutschland die erweiterte Zustimmungslösung, bei der eine Organentnahme nur dann erfolgen darf, wenn der Verstorbene zu Lebzeiten ausdrücklich zugestimmt hat oder die Angehörigen eine Einwilligung geben.

Ein Alternativmodell, das sogenannte Widerspruchsmodell, wird seit Jahren heiß diskutiert. In Ländern wie Spanien und Österreich, die dieses Modell praktizieren, ist jeder Bürger grundsätzlich ein potenzieller Organspender, sofern er nicht zu Lebzeiten ausdrücklich widersprochen hat. Diese Länder verzeichnen deutlich höhere Organspenderaten, was Befürworter des Widerspruchsmodells als Argument anführen.

Politische Debatte und Gesetzentwürfe

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach brachte Anfang 2024 erneut einen Vorstoß für das Widerspruchsmodell in den Bundestag ein. Unterstützt wird dieser Vorschlag von einer breiten Koalition aus SPD, Grünen und Teilen der CDU/CSU. Lauterbach argumentiert, dass durch die Einführung des Widerspruchsmodells die Zahl der Organspender signifikant gesteigert und somit vielen Patienten geholfen werden könnte.

Kritiker des Modells, darunter auch die FDP und Teile der Bevölkerung, sehen in diesem Ansatz jedoch eine Verletzung der Persönlichkeitsrechte und befürchten einen Vertrauensverlust in das Gesundheitssystem. Sie plädieren stattdessen für eine intensivierte Aufklärungskampagne und den Ausbau des bestehenden Systems der Zustimmungslösung.

Gesellschaftliche Perspektive

Die Debatte um die Organspende ist nicht nur eine politische, sondern auch eine gesellschaftliche Herausforderung. Eine neuerliche Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov aus dem Jahr 2020 ergab, dass 46% der Deutschen dem Widerspruchsmodell positiv gegenüberstehen, während 37% es ablehnen und 17% unentschlossen sind. Diese Zahlen spiegeln die gespaltene Meinung der Bevölkerung wider und unterstreichen die Notwendigkeit einer offenen und umfassenden Diskussion.

Aktuelle Umfragen zur Organspende und den Modellen Widerspruchslösung und Zustimmungslösung zeigen ein breites Meinungsspektrum in Deutschland.

Eine repräsentative Umfrage der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) ergab, dass 84 Prozent der Befragten dem Thema Organ- und Gewebespende positiv gegenüberstehen​ (Bundesregierung)​.

Eine andere Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Civey für t-online.de zeigt, dass 67,3 Prozent der Deutschen bereit wären, unter bestimmten Umständen einer Organspende zuzustimmen, selbst wenn dies gesundheitliche Risiken für den Spender birgt​ (www.t-online.de)​. Diese Bereitschaft ist höher bei Personen mit Kindern im Haushalt und variiert leicht je nach Bildungsgrad und politischer Zugehörigkeit.

Fazit

Die Organspende bleibt ein hochkomplexes und emotionales Thema, das sowohl politisches Feingefühl als auch gesellschaftliches Engagement erfordert. Ob das Widerspruchsmodell in Deutschland eingeführt wird, bleibt abzuwarten. Klar ist jedoch, dass jede Entscheidung, die in dieser Frage getroffen wird, unmittelbare Auswirkungen auf das Leben tausender Menschen hat. Es ist eine Entscheidung, die Leben retten kann – und eine, die sorgfältig abgewogen werden muss.

Holger Korsten Gesundheits-Coach & Chefredakteur Mittelrhein Tageblatt, spezialisiert auf die Themen Gesundheit & Wirtschaft