VdK-Berechnung: Ein guter Sozialstaat ist finanzierbar:
- VdK-Analyse zeigt, worin sich die finanzielle Schieflage der Sozialversicherungen begründet und wie sie behoben werden kann.
- Verena Bentele: „Politische Maßnahmen, die die gesamte Gesellschaft betreffen, müssen auch von der gesamten Gesellschaft finanziert werden“.
- Bund und Länder könnten insgesamt bis zu 100 Milliarden Euro mehr einnehmen.
Stimmen aus Politik und Wirtschaft betonen immer wieder: Die Sozialversicherungen, also die Arbeitslosen-, Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung, seien viel zu teuer. Als Folge sei es unvermeidlich, dass Beiträge angehoben und/oder Leistungen gekürzt werden.
Der Sozialverband VdK hat diese Behauptungen überprüft. Zusammen mit Fiscal Future, einer Nichtregierungsorganisation, die sich intensiv mit Finanzpolitik befasst, hat er analysiert, worin sich die finanzielle Schieflage der Sozialversicherungen begründet und wie die Versicherungen wieder stabilisiert werden können – und zwar ohne Beitragszahlende immer weiter zu belasten.
Das Ergebnis: In den vergangenen Jahrzehnten war es gängige Praxis, dass einige politische Vorhaben, die die gesamte Gesellschaft betreffen, nicht aus dem Bundeshaushalt finanziert werden, der eigentlich genau für diese gesamtgesellschaftlichen Aufgaben da ist. Stattdessen bedient sich der Gesetzgeber an den Kassen der Beitragszahlenden der gesetzlichen Versicherungen.
Zu sehen ist das unter anderem bei der Deutschen Rentenversicherung: Diese zahlt zum Beispiel momentan die Kosten, die für die Anrechnung von Kindererziehungszeiten, Mutterschutz und Ausbildungszeiten anfallen. Insgesamt zahlt die Rentenversicherung 108,2 Milliarden Euro für solche Leistungen, von denen der Bund der Rentenversicherung lediglich 84,3 Milliarden als sogenannter „Bundeszuschuss“ zurückzahlt. Auf den restlichen knapp 24 Milliarden Euro bleibt die Rentenkasse sitzen. „Dass diese Rentenleistungen sinnvoll sind, bezweifelt der VdK nicht. Wir finden jedoch, die Kosten dafür sollten nicht allein von den Beitragszahlenden der Rentenversicherung, sondern von der gesamten Gesellschaft übernommen werden“, sagt VdK-Präsidentin Verena Bentele.
Beispiele für solche Leistungen, die die Sozialversicherungen übernehmen, die aber eigentlich nicht aus den Beiträgen finanziert werden sollten, findet der VdK in allen Versicherungen. Dass immer wieder gesamtgesellschaftliche Aufgaben aus den Töpfen der Sozialversicherungen gezahlt werden, führt zu sozialer Ungerechtigkeit. Denn während sich die Sozialversicherungen vorrangig aus Beiträgen von gesetzlich versicherten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern und deren Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern finanziert, speist sich der Bundeshaushalt auch aus den Steuern von Beamtinnen und Beamten, Politikerinnen und Politikern, Selbstständigen, Unternehmen und aller, die Umsatzsteuer zahlen. Wer sich also in den Töpfen der Sozialversicherungen bedient, bedient sich an dem Geld einer Gruppe mit tendenziell geringeren Einkommen.
„Für uns ist klar, dass diese Praxis aufhören muss. Politische Vorhaben, die die gesamte Gesellschaft betreffen, müssen auch von der gesamten Gesellschaft finanziert werden – also aus den Steuereinnahmen“, so Bentele.
Das Problem, dass der Bund und die Länder traditionell ebenfalls knapp bei Kasse sind, lässt sich nach Berechnungen des VdK durch eine gerechtere und solidarische Steuerpolitik lösen. Bis zu zehn Milliarden Euro könnte beispielsweise eine sozial gerechte Ausgestaltung der Erbschaftssteuer einbringen, sogar 40 Milliarden brächte eine verfassungsgemäße Form der Vermögenssteuer, und weitere 25 Milliarden könnten nach Schätzungen des VdK über eine konsequentere Bekämpfung von Steuervermeidung erzielt werden.
Die Berechnungen in Zusammenarbeit mit Fiscal Future haben ergeben: Würde die Politik alle steuerpolitischen Vorschläge des VdK umsetzen, könnten Bund und Länder insgesamt sogar bis zu 100 Milliarden Euro mehr einnehmen als bisher. „Damit ließen sich die gesamtgesellschaftlichen Ausgaben der Sozialversicherungen übernehmen. Die Folge davon wäre, dass sich die Beitragssätze stabilisieren würden. Die Sozialversicherungen könnten für die Menschen gute Leistungen erbringen. Davon würde die gesamte Gesellschaft profitieren“, sagt Bentele.
***
Text: Claudia Kepp, Pressesprecherin Sozialverband VdK Deutschland e.V.