Ist die Brandmauer gegen die AfD ein demokratisches Eigentor? Lesen Sie jetzt hierzu unseren Leitartikel von Holger Korsten.
Die politische Landschaft Deutschlands ist seit Jahren von einer strikten Abgrenzung gegenüber der Alternative für Deutschland (AfD) geprägt. Die sogenannten „demokratischen Parteien“ haben eine Brandmauer errichtet, die jegliche Zusammenarbeit mit der AfD kategorisch ausschließt. Doch was passiert, wenn diese Strategie nicht nur die AfD isoliert, sondern auch die demokratische Arbeit im Bundestag selbst blockiert? Was, wenn die AfD durch geschickte politische Taktik plötzlich die Fähigkeit erhält, über die Einbringung oder Ablehnung von Gesetzesanträgen zu bestimmen – nicht durch eigene Mehrheiten, sondern allein durch ihre Zustimmung?
Das paradoxe Vetorecht der AfD
Die Brandmauer als demokratische Sackgasse
Die Idee der Brandmauer gegen die AfD wurde ursprünglich als Schutzmechanismus gegen den Einfluss einer Partei konzipiert, die von vielen als demokratiefeindlich betrachtet wird. Doch in der Praxis führt diese Strategie zu einem Stillstand in der Sachpolitik. Es geht längst nicht mehr darum, welche Gesetze sinnvoll oder notwendig sind, sondern nur noch darum, wer sie einbringt und wer ihnen zustimmen könnte.
Diese Entwicklung zeigt sich besonders drastisch in der aktuellen Debatte um die Verschärfung der Asyl- und Migrationspolitik. Die CDU hat einen 5-Punkte-Plan vorgelegt, der in vielen Teilen den Forderungen ähnelt, die die AfD bereits vor Jahren gestellt hat. Dennoch wird dieser Plan von Teilen der Politik und der Medien so behandelt, als sei er völlig neu – nur weil er nun von einer „akzeptierten“ Partei kommt.
Doch was wäre passiert, wenn die AfD den CDU-Plan als eigene Forderung präsentiert hätte? Er wäre mit hoher Wahrscheinlichkeit reflexartig abgelehnt worden, unabhängig von seinem Inhalt. Diese selektive Wahrnehmung ist ein Beleg dafür, dass es in der Politik zunehmend um ideologische Abgrenzung statt um Problemlösung geht.
Über 12 Millionen Stimmen – demokratisch ignoriert?
Aktuellen Umfragen zufolge erreicht die AfD derzeit Zustimmungswerte von etwa 21 Prozent. (dawum.de) Bei der Bundestagswahl 2025 werden voraussichtlich rund 59,2 Millionen Deutsche wahlberechtigt sein. (destatis.de) Das bedeutet, dass etwa 12,4 Millionen Bürgerinnen und Bürger ihre Unterstützung für die AfD zum Ausdruck bringen könnten.
Diese beträchtliche Anzahl an Wählerstimmen repräsentiert einen signifikanten Teil der Bevölkerung, dessen politische Präferenzen und Anliegen in einer demokratischen Gesellschaft nicht ignoriert werden sollten. Die strikte Abgrenzung der etablierten Parteien gegenüber der AfD führt jedoch dazu, dass die Stimmen dieser Wählerinnen und Wähler faktisch keinen Einfluss auf die politische Entscheidungsfindung haben.
Eine solche Ausgrenzung widerspricht dem demokratischen Grundprinzip, dass jede Stimme zählt und gehört werden sollte. Indem die etablierten Parteien die AfD und ihre Wählerschaft systematisch ausschließen, riskieren sie, das Vertrauen dieser Bürgerinnen und Bürger in die demokratischen Prozesse weiter zu untergraben. Es ist daher unerlässlich, die Anliegen aller Wähler ernst zu nehmen und in den politischen Diskurs einzubeziehen, um eine repräsentative und funktionierende Demokratie zu gewährleisten.
Politik muss sich an Inhalten orientieren, nicht an Parteizugehörigkeiten
Wenn die Demokratie funktionieren soll, müssen Entscheidungen auf Basis ihrer Inhalte getroffen werden, nicht auf Basis ihrer Urheberschaft. Es wäre ein Zeichen politischer Reife, wenn Parteien bereit wären, Vorschläge nach ihrem Wert zu beurteilen, anstatt sie reflexartig abzulehnen oder zu blockieren, nur weil „die falschen“ Personen zustimmen.
Das bedeutet nicht, dass eine Zusammenarbeit mit der AfD in Form von Koalitionen oder strategischen Allianzen notwendig wäre. Es bedeutet aber, dass ein Antrag nicht automatisch schlecht sein kann, nur weil die AfD ihm zustimmt. Ebenso wenig sollte ein Antrag nur deshalb zurückgezogen werden, weil die AfD ihm zustimmen würde. Eine solche Haltung entmündigt nicht nur die Politik, sondern auch die Wähler, die erwarten, dass ihre gewählten Vertreter Lösungen für reale Probleme finden.
Die Konsequenzen für die Demokratie
Sollte die derzeitige Blockadestrategie fortgeführt werden, drohen mehrere negative Konsequenzen:
- Politische Lähmung: Wichtige Reformen könnten scheitern, weil Parteien aus Angst vor einer AfD-Zustimmung ihre eigenen Anträge nicht mehr einbringen.
- Glaubwürdigkeitsverlust: Wenn Parteien Forderungen erst dann umsetzen, wenn sie nicht mehr mit der AfD assoziiert werden, untergräbt das ihre Glaubwürdigkeit.
- Stärkung der AfD: Die AfD kann sich als einzige Partei präsentieren, die „die Wahrheit ausspricht“, während die anderen Parteien sich in Taktikspielchen verstricken.