Mainz – Allgemeine Zeitung Mainz: Fühlen – Kommentar zur Türkei

Deutsche Presseschau - Aktuell - Mittelrhein-Tageblatt -Mainz – Türkei: Manchmal hilft es, die Frage nach dem „Warum“ zu stellen. Warum verhält sich Recep Tayyip Erdogan so, wie er sich verhält? Er bricht das Völkerrecht, um einer deutschen Journalistin unter fadenscheinigsten Herleitungen den Prozess zu machen. Ein Prozess, an dessen Ende kein faires Urteil zu erwarten ist.

Andere Journalisten und Menschenrechtler warten ihr Schicksal hinter Gittern ab. Mit diesen und weiteren Abrissmaßnahmen an der Demokratie hat sich Erdogan aus dem Kreis der verlässlichen Partner Europas bis auf Weiteres selbst verabschiedet. Warum? Um sich blind in die Arme Wladimir Putins zu begeben, der nur darauf wartet, einen Keil in die Nato zu treiben, ist der Autokrat vom Bosporus zu klug (oder war es zumindest lange).

Auch eine Re-Islamisierung taugt als Erklärung nicht, schließlich sind diejenigen, die Erdogan als Terroristen bezeichnet und deren vermeintliche Unterstützer er inhaftieren lässt, ebenfalls islamischen Glaubens. Die Antwort liegt in Erdogan selbst, in seiner Suche nach Größe: Trotz – bröckelnder – wirtschaftlicher Erfolge ist die Türkei nach wie vor nicht der Faktor auf der Weltbühne, als den Erdogan sein Land gerne sähe. Also greift er zu immer schrilleren Mitteln politischer Gewalt.

Wie ein kleines Kind, das das, was es hat, kaputt schlägt, weil es etwas Größeres nicht haben kann. Mesale Tolu, Deniz Yücel und andere sind seine unglücklichen Geiseln, die unsere maximale Solidarität verdienen: Stopp für EU-Beitritt und vorgelagerte Zahlungen, keine erweiterte Zollunion, Einfrieren internationaler Konten des Erdogan-Clans, europaweite Absprachen beim Tourismus.

Bei Kindern sagt man: Wer nicht hören will, muss fühlen.

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