Die Brandmauer gegen die AfD: Ein demokratisches Eigentor?

Brandmauer gegen die AfD
Brandmauer gegen die AfD | 21% | 12 Millionen Wähler © Mittelrhein Tageblatt

Ist die Brandmauer gegen die AfD ein demokratisches Eigentor? Lesen Sie jetzt hierzu unseren Leitartikel von Holger Korsten.

Die politische Landschaft Deutschlands ist seit Jahren von einer strikten Abgrenzung gegenüber der Alternative für Deutschland (AfD) geprägt. Die sogenannten „demokratischen Parteien“ haben eine Brandmauer errichtet, die jegliche Zusammenarbeit mit der AfD kategorisch ausschließt. Doch was passiert, wenn diese Strategie nicht nur die AfD isoliert, sondern auch die demokratische Arbeit im Bundestag selbst blockiert? Was, wenn die AfD durch geschickte politische Taktik plötzlich die Fähigkeit erhält, über die Einbringung oder Ablehnung von Gesetzesanträgen zu bestimmen – nicht durch eigene Mehrheiten, sondern allein durch ihre Zustimmung?

Das paradoxe Vetorecht der AfD

Stellen wir uns eine Situation vor: Die SPD bringt einen Antrag in den Bundestag ein, etwa zur Verbesserung der Pflegeversorgung oder zur Reform des Steuerrechts. Nun kündigt die AfD an, diesem Antrag zuzustimmen. Wenn die SPD sich konsequent an die Brandmauer hält, müsste sie ihren eigenen Antrag zurückziehen, um zu verhindern, dass die AfD durch Zustimmung indirekt Einfluss nimmt.

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Doch das Problem geht noch weiter: Die SPD könnte in einer solchen Konstellation auch keine Zustimmung aus den Reihen der Opposition erwarten – insbesondere nicht von CDU und CSU, die aus parteitaktischen Gründen möglicherweise gar kein Interesse daran haben, der Regierung einen Erfolg zu ermöglichen. Ein Beispiel hierfür ist der 5-Punkte-Plan zur Migrationspolitik der CDU, der von SPD, Grünen und Linken scharf abgelehnt wurde – nicht zwangsläufig wegen des Inhalts, sondern weil er von der Union stammt und von der AfD unterstützt wird.

Das führt zu einem absurden Mechanismus: Die AfD hätte dadurch faktisch ein stilles Vetorecht über alle Anträge im Bundestag, die nicht aus ihrer eigenen Feder stammen. Indem sie gezielt ihre Zustimmung zu Regierungs- oder Oppositionsanträgen ankündigt, könnte sie dafür sorgen, dass diese aus parteitaktischen Gründen zurückgezogen oder blockiert werden. So könnte die AfD nicht nur eigene Anträge stellen, sondern gleichzeitig auch darüber bestimmen, welche Vorschläge anderer Parteien überhaupt eine Chance auf Umsetzung haben.

Das bedeutet: Selbst wenn eine Regierungspartei eine sinnvolle Reform vorschlägt, könnte sie in eine politische Sackgasse geraten, wenn sie keine Mehrheit in den eigenen Reihen findet und gleichzeitig nicht mit den Stimmen der Opposition rechnen kann. Das führt zu einer absurden Situation, in der dringend notwendige Reformen gar nicht erst auf den Weg gebracht werden, nur weil die falschen Leute zustimmen könnten.

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Die Brandmauer als demokratische Sackgasse

Die Idee der Brandmauer gegen die AfD wurde ursprünglich als Schutzmechanismus gegen den Einfluss einer Partei konzipiert, die von vielen als demokratiefeindlich betrachtet wird. Doch in der Praxis führt diese Strategie zu einem Stillstand in der Sachpolitik. Es geht längst nicht mehr darum, welche Gesetze sinnvoll oder notwendig sind, sondern nur noch darum, wer sie einbringt und wer ihnen zustimmen könnte.

Diese Entwicklung zeigt sich besonders drastisch in der aktuellen Debatte um die Verschärfung der Asyl- und Migrationspolitik. Die CDU hat einen 5-Punkte-Plan vorgelegt, der in vielen Teilen den Forderungen ähnelt, die die AfD bereits vor Jahren gestellt hat. Dennoch wird dieser Plan von Teilen der Politik und der Medien so behandelt, als sei er völlig neu – nur weil er nun von einer „akzeptierten“ Partei kommt.

Doch was wäre passiert, wenn die AfD den CDU-Plan als eigene Forderung präsentiert hätte? Er wäre mit hoher Wahrscheinlichkeit reflexartig abgelehnt worden, unabhängig von seinem Inhalt. Diese selektive Wahrnehmung ist ein Beleg dafür, dass es in der Politik zunehmend um ideologische Abgrenzung statt um Problemlösung geht.

Über 12 Millionen Stimmen – demokratisch ignoriert?

Aktuellen Umfragen zufolge erreicht die AfD derzeit Zustimmungswerte von etwa 21 Prozent. (dawum.de) Bei der Bundestagswahl 2025 werden voraussichtlich rund 59,2 Millionen Deutsche wahlberechtigt sein. (destatis.de) Das bedeutet, dass etwa 12,4 Millionen Bürgerinnen und Bürger ihre Unterstützung für die AfD zum Ausdruck bringen könnten.

Diese beträchtliche Anzahl an Wählerstimmen repräsentiert einen signifikanten Teil der Bevölkerung, dessen politische Präferenzen und Anliegen in einer demokratischen Gesellschaft nicht ignoriert werden sollten. Die strikte Abgrenzung der etablierten Parteien gegenüber der AfD führt jedoch dazu, dass die Stimmen dieser Wählerinnen und Wähler faktisch keinen Einfluss auf die politische Entscheidungsfindung haben.

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Eine solche Ausgrenzung widerspricht dem demokratischen Grundprinzip, dass jede Stimme zählt und gehört werden sollte. Indem die etablierten Parteien die AfD und ihre Wählerschaft systematisch ausschließen, riskieren sie, das Vertrauen dieser Bürgerinnen und Bürger in die demokratischen Prozesse weiter zu untergraben. Es ist daher unerlässlich, die Anliegen aller Wähler ernst zu nehmen und in den politischen Diskurs einzubeziehen, um eine repräsentative und funktionierende Demokratie zu gewährleisten.

Politik muss sich an Inhalten orientieren, nicht an Parteizugehörigkeiten

Wenn die Demokratie funktionieren soll, müssen Entscheidungen auf Basis ihrer Inhalte getroffen werden, nicht auf Basis ihrer Urheberschaft. Es wäre ein Zeichen politischer Reife, wenn Parteien bereit wären, Vorschläge nach ihrem Wert zu beurteilen, anstatt sie reflexartig abzulehnen oder zu blockieren, nur weil „die falschen“ Personen zustimmen.

Das bedeutet nicht, dass eine Zusammenarbeit mit der AfD in Form von Koalitionen oder strategischen Allianzen notwendig wäre. Es bedeutet aber, dass ein Antrag nicht automatisch schlecht sein kann, nur weil die AfD ihm zustimmt. Ebenso wenig sollte ein Antrag nur deshalb zurückgezogen werden, weil die AfD ihm zustimmen würde. Eine solche Haltung entmündigt nicht nur die Politik, sondern auch die Wähler, die erwarten, dass ihre gewählten Vertreter Lösungen für reale Probleme finden.

Die Konsequenzen für die Demokratie

Sollte die derzeitige Blockadestrategie fortgeführt werden, drohen mehrere negative Konsequenzen:

  1. Politische Lähmung: Wichtige Reformen könnten scheitern, weil Parteien aus Angst vor einer AfD-Zustimmung ihre eigenen Anträge nicht mehr einbringen.
  2. Glaubwürdigkeitsverlust: Wenn Parteien Forderungen erst dann umsetzen, wenn sie nicht mehr mit der AfD assoziiert werden, untergräbt das ihre Glaubwürdigkeit.
  3. Stärkung der AfD: Die AfD kann sich als einzige Partei präsentieren, die „die Wahrheit ausspricht“, während die anderen Parteien sich in Taktikspielchen verstricken.
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Fazit: Die Brandmauer überdenken – Demokratie für alle!

Es ist höchste Zeit, die Brandmauer-Strategie kritisch zu hinterfragen. Eine funktionierende Demokratie darf sich nicht von parteitaktischen Spielchen lähmen lassen, sondern muss sich an pragmatischen Lösungen orientieren. Anträge sollten nach ihrer Qualität bewertet werden, nicht danach, wer ihnen zustimmt oder sie einbringt.

Noch gravierender als die politische Blockade ist jedoch die Tatsache, dass mittlerweile über 12 Millionen Wahlberechtigte mit ihrer Stimme faktisch ignoriert werden. Eine Demokratie lebt davon, dass alle Wähler ernst genommen werden – auch diejenigen, die einer unbequemen Partei ihre Stimme gegeben haben. Wenn politische Entscheidungen nur noch danach getroffen werden, wer an ihnen beteiligt ist, anstatt welche Lösungen sie bieten, dann entfernt sich Deutschland immer weiter von demokratischen Prinzipien.

Statt ideologischer Abgrenzung braucht es Sachpolitik, Mut zur Diskussion und die Bereitschaft, im Sinne aller Bürger zu handeln – unabhängig davon, ob das bedeutet, dass eine unliebsame Partei zufällig derselben Meinung ist. Die Alternative wäre eine politische Lähmung, die nicht nur Reformen blockiert, sondern das Vertrauen in die Demokratie selbst gefährdet.

Wer die Demokratie verteidigen will, muss alle Wähler respektieren – und nicht Millionen von ihnen aus rein taktischen Gründen ausschließen (hk).