Entwicklungshilfe aussetzen und auf Effizienz prüfen – Ein Gastbeitrag von Volker Seitz: Präsident Donald Trump hat eine 90-tägige Pause bei der Entwicklungshilfe angeordnet, bis die Effizienz und die Übereinstimmung mit der US-Außenpolitik beurteilt worden sind. Natürlich wird dies in Deutschland von Politikern und Medien scharf kritisiert. Aber wäre es so schlimm, wenn auch die im Februar neu gewählte deutsche Regierung die jahrelange Geldflutungspolitik unserer Wohltätigkeitsindustrie (derzeit allein bilateral über 11,5 Milliarden Euro) kritisch überprüfen würde? Und das nicht nur in Afrika, das immer noch größter Empfänger der sogenannten Entwicklungshilfe ist.
Die Wurzeln der anhaltenden Armut in Afrika liegen in der demografischen Entwicklung, die Wohlstandsgewinne vereitelt. Es bedarf einer verlässlichen Regierungsführung, die nicht korrupt ist, Zusagen einhält, im Rohstoffsektor transparent agiert und illegale Finanzflüsse unterbindet. Afrikaner wie Themba Sono, Wole Soyinka, Andrew Mwenda und George Ayittey sind überzeugt, dass Wohlstand nicht durch milde Gaben entsteht, sondern durch unternehmerische Kreativität, Arbeit, Innovation – und durch gute staatliche Rahmenbedingungen.
„Gut gemeint“ ist bekanntlich oft das Gegenteil von gut gemacht. Die Betroffenen werden selbst nicht gefragt, wie sie zur Entwicklungshilfe stehen und was ihnen ihrer Meinung nach helfen könnte. Afrikaner als Mündel zu betrachten, ist die unausgesprochene Geschäftsgrundlage der allermeisten „Projekte“. Die Liste der Kritiker klassischer Entwicklungshilfe ist in den vergangenen Jahren stetig gewachsen. Einzelne Hilfsprojekte mögen sinnvoll sein, aber Projekte ersetzen keine Strukturen.
Es gibt immer noch ein unübersehbares Netz von staatlichen und privaten Hilfsagenturen, die alle „helfen“ wollen. Unzählige „Projekte“ oder „Programme“ wurden als Fremdkörper in den Ländern durchgeführt. Wie ich in meinen 17 Jahren in verschiedenen afrikanischen Ländern immer wieder beobachten konnte, haben diese Projekte kurz nach ihrem Ende keine nachhaltigen Spuren hinterlassen. Sie haben die Menschen abhängig gemacht, sie an den Zustand der stetigen Hilfe gewöhnt und so die Eigeninitiative behindert. Während ihrer Laufzeit waren sie erfolgreich, da es an Geld für Betriebsmittel, Fahrzeuge und hohe Gehälter nie gemangelt hat.
Würde es unabhängige Wirksamkeitskontrollen geben, müssten unzählige Durchführungsorganisationen ihre Arbeit einstellen. Aber ohne Entwicklungsprojekte und Aktivitäten sogenannter Nichtregierungsorganisationen wäre vor allem die Arbeitslosigkeit unter den Helfern besorgniserregend. Ich habe nicht den Eindruck, dass sich die Akteure der „Entwicklungshilfe“ je fragen, ob ihr „Produkt“ bei den Bedürftigen in Afrika ankommt, gebraucht oder verstanden wird. Hilfe darf die Leistungsbereitschaft nicht untergraben. Doch die Hilfsindustrie scheint immun gegen Rückschläge zu sein – das Geld muss um jeden Preis ausgegeben werden.
Die Helferindustrie hat mehr Geld zur Verfügung, als sinnvoll ausgegeben werden kann. Immer mehr Mittel zu fordern, ohne Sanktionen bei Verstößen gegen Menschenrechtsklauseln oder Transparenzregeln, schadet den Menschen in Entwicklungsländern. Das rituelle Beschwören des 0,7-Prozent-Ziels – also des Anteils des Bruttonationaleinkommens (BNE), der für Entwicklungshilfe bereitgestellt werden soll – ist an Ideenlosigkeit kaum zu überbieten. Es suggeriert fälschlicherweise, dass „mehr Geld = mehr Entwicklung“ bedeutet. Mit weniger Geld, gezielt eingesetzt in förderwürdigen Ländern mit rechtsstaatlicher Führung, könnten wir die Empfängerländer endlich in die Unabhängigkeit von entwürdigender Hilfe entlassen.
Wohltätigkeit besiegt nicht die Armut. Spontane Solidarität nach verheerenden Naturkatastrophen und Spenden für Nothilfe sind unstrittig. Doch in der Entwicklungshilfe müssen wir den Mut haben, Fehler einzugestehen und Wege, die nicht funktionieren, zu verlassen. Für viele Länder in Afrika war der Weg der klassischen Entwicklungshilfe falsch. Vielleicht nicht in jedem Fall, aber sie hat nicht die gewünschten Erfolge erzielt. Meines Erachtens sind Ermutigung und Stärkung der Eigenverantwortung die besten Rezepte, um Wohlstand zu schaffen. Die Betroffenen müssen es allerdings auch wollen.
Afrika wird erst dann ein Hoffnungskontinent, wenn ernsthafte wirtschaftliche Reformen umgesetzt werden, die innerafrikanischen Märkte geöffnet, Investitionsgesetze verbessert, das Bildungs- und Gesundheitssystem gestärkt und korrupte Eliten zur Rechenschaft gezogen werden. Ein Großteil der Entwicklungshilfe, die wir in den letzten 60 Jahren nach Afrika geleistet haben, hat nicht den gewünschten Effekt erzielt, weil sie die Menschen in ihrer Unselbstständigkeit bestärkt hat. Das System ächzt, wird aber gegen Kritik abgeschottet. Die Betreuungsindustrie hat die Tendenz, den Afrikanern vorzuschreiben, wie sie leben sollen. Dieser Paternalismus entmündigt die Menschen. Warum wird ihnen immer wieder eingeredet, dass sie ihre Probleme nicht selbst lösen können?
Die Frage, ob Hilfe schaden kann, wird selten gestellt. Welche Hilfsorganisation hat je das Ziel formuliert, sich überflüssig zu machen? Das Bild Afrikas wird von Hilfswerken und Helfern geprägt, die Entwicklungshilfe als Lebensaufgabe betrachten.
Entwicklungshilfe zementiert oft bestehende Machtstrukturen, fördert Korruption und Umweltzerstörung. Afrikas Entwicklung kann nur aus Afrika selbst kommen – durch Bildung, Investitionen in Landwirtschaft und kleine Betriebe, mehr lokale Wertschöpfung und freien Handel.
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Text: Volker Seitz
Über den Autor:
Volker Seitz war in verschiedenen Funktionen für das Auswärtige Amt tätig, u.a. bei der EU in Brüssel, Japan und in sieben afrikanischen Ländern. Zuletzt war er Botschafter in Kamerun. Er ist Autor des Bestsellers „Afrika wird armregiert“ (dtv, 11. Auflage) und teilt regelmäßig seine Expertise in Vorträgen und Artikeln.