Konzertierte Aktion Pflege Niedersachsen stellt ihre Ergebnisse vor.
Niedersachsen / Hannover – Die niedersächsischen Wohlfahrtsverbände, Krankenkassen, Verbände der privaten Pflegeanbieter, Vertretungen der Pflegekräfte und die Landesregierung haben sich nach intensiven Beratungen auf substantielle Verbesserungen für die Pflegekräfte und Pflegebedürftigen in Niedersachsen geeinigt. Am gestrigen Abend haben sich alle Beteiligten darauf verständigt, die Lohn- und Arbeitsbedingungen in der Pflege deutlich zu verbessern.
In seiner Sitzung am (heutigen) Dienstag ist das Kabinett über die wesentlichen Weichenstellungen informiert worden. Darüber hinaus hat das Kabinett heute die Novelle des Niedersächsischen Pflegegesetzes auf den Weg gebracht, mit dem unter anderem die tarifgerechte Bezahlung von Pflegerinnen und Pflegern unterstützt werden soll. Zu den wesentlichen Weichenstellungen der Konzertierten Aktion Pflege Niedersachsen (KAP.Ni) zählen:
- Pflegekräfte sollen in Niedersachsen künftig mehr verdienen, ihre Arbeitsbedingungen werden verbessert
- Leistungen in der ambulanten Pflege werden höher vergütet
- die Tarifbindung in der Pflege wird gestärkt
- innovative Ansätze zur Versorgung von Pflegebedürftigen werden entwickelt und umgesetzt
- die Suche nach freien Pflegeplätzen wird erleichtert
Ministerpräsident Weil zeigte sich erfreut: „Ich habe gerade in diesem Jahr erneut zahlreiche Pflegeeinrichtungen besucht und mir selbst ein Bild von der derzeitigen Situation gemacht. Es ist mir persönlich sehr wichtig, dass Pflegerinnen und Pfleger für ihre verantwortungsvolle Aufgabe anständig bezahlt werden und unter vernünftigen Bedingungen arbeiten können. Deshalb freue ich mich sehr darüber, dass wir zusammen mit unseren Partnerinnen und Partnern auf Landesebene ein umfangreiches Paket geschnürt haben, das die Situation der Pflegekräfte und auch der Pflegebedürftigen in Niedersachsen spürbar verbessern wird. Das ist ein großer Schritt nach vorn für die Pflege in Niedersachsen!“
Sozialministerin Carola Reimann bedankte sich bei allen Beteiligten der von ihr im Juli 2019 gestarteten „Konzertierten Aktion Pflege Niedersachsen“ (KAP.Ni): „Die Verhandlungen waren durchaus nicht immer einfach, jedoch von der gemeinsamen Überzeugung geprägt, dass wir die Situation in der Pflege verbessern müssen. Die unterschiedlichen Akteurinnen und Akteure haben sich allesamt sehr konstruktiv eingebracht. Das hat sich gelohnt, das Ergebnis kann sich sehen lassen! Darauf aufbauend werden wir jetzt weiter arbeiten, damit Niedersachsen Pflegekräften und Pflegebedürftigen gute Perspektiven bietet.“ Unter Moderation der Sozialministerin haben die Akteure einen neuen gemeinsamen Weg gefunden, der jetzt weiter beschritten werden soll.
Die Situation in Niedersachsen ist bislang angespannt: Es ist erfreulich, dass immer mehr Menschen in Niederachsen immer älter werden, doch dadurch sind auch immer mehr Menschen auf Pflege und Unterstützung angewiesen. Der Anteil der Pflegebedürftigen an der Gesamtbevölkerung lag in Niedersachsen 2007 mit 135.000 Personen noch bei drei Prozent, im Jahr 2017 aber bereits mit 192.000 Personen bei 4,9 Prozent – Tendenz steigend. Die Zahl der Pflegefach- und Pflegehilfskräfte ist im gleichen Zeitraum von 89.000 auf gut 130.000 angestiegen, Fachkräfte werden dringend gesucht.
Im Bundesvergleich erhalten niedersächsische Pflegekräfte besonders niedrige Löhne. Während in Niedersachsen eine Fachkraft im Durchschnitt 2600 Euro monatlich verdient, erhalten die Kolleginnen und Kollegen in Hamburg oder NRW für die gleiche Leistung mehr als 3000 Euro brutto.
Die Arbeitsbedingungen sind oftmals schwierig, die zeitlichen Belastungen hoch, Familie und Beruf schwer zu vereinbaren. Die Folge sind hohe Ausstiegs- und Teilzeitquoten bei den Pflegenden.
Die Konzertierte Aktion will mit ihren Vereinbarungen dafür sorgen, dass Pflegekräfte besser bezahlt werden und mit weniger Druck arbeiten können, so dass der Pflegeberuf wieder attraktiver wird.
Sichergestellt werden soll eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf, die Rückkehr in den Job soll erleichtert werden. Arbeitnehmerfreundliche Arbeitsmodelle sollen dafür sorgen, das Fachkräfte im Job gehalten und neue gewonnen werden können.
Ein Abbau von Bürokratie und verbesserte Arbeitsabläufe sollen die Zeitnot der Pflegekräfte reduzieren und die verfügbare Zeit für die Pflegebedürftigen erhöhen. Das alles soll auch zu einer besseren Betreuung der zu Pflegenden und zu einer Entlastung der Angehörigen führen. Zudem soll auch im ländlichen Raum eine flächendeckende pflegerische Versorgung sichergestellt werden.
Die Mitglieder der Konzertierten Aktion Pflege Niedersachsen haben sich auf die Veränderung wesentlicher Stellschrauben geeinigt und einen Fahrplan zur Umsetzung aufgestellt. Sie setzen damit einem in der Vergangenheit von Misstrauen und komplizierten Abrechnungsstreitigkeiten geprägten System jetzt die Bereitschaft zu einem gemeinsamen Vorgehen auf vertrauensvoller Basis entgegen. Im Juni 2020 sollen erste Fortschritte bei einer Konferenz zusammengetragen und vorgestellt werden.
Zu den wichtigsten vereinbarten Maßnahmen zählen:
1) Bessere Bezahlung der Pflegekräfte
Die niedersächsischen Pflegekassen haben sich im Rahmen der KAP.Ni dazu bereit erklärt, in Zukunft die tatsächlichen Personalkosten von pflegerischen Leistung zu erstatten, wenn diese entsprechend nachgewiesen werden. Das gilt ausdrücklich auch für die Zahlung von Tariflöhnen in der Pflege: „Nachgewiesene Tarifsteigerungen werden in den Vergütungsverhandlungen berücksichtigt.“ Die Refinanzierung der Löhne soll erleichtert werden; dazu ist ein vereinfachtes Verfahren verabredet worden, das sich an der höchsten Refinanzierung orientiert. Bisherige Benachteiligungen werden so abgebaut. Damit machen die KAP.Ni-Partner einen großen Schritt für eine bessere Refinanzierung der Löhne in der Pflege und somit auch für bessere Löhne. Das erhöht die Attraktivität des Pflegeberufs und ist ein wichtiger Beitrag zur Fachkräftegewinnung.
2) Lückenlose und umfassende Finanzierung der Pflegeleistungen
Die Pflegesatz-Verhandlungen für 2020 werden umgehend aufgenommen und nicht erst im Laufe des betreffenden Jahres.
Die Höhe der Kassenleistungen und der Pflegesätze werden nicht von der Politik bestimmt, sondern von den Kranken- und Pflegekassen und den Pflegeanbietern ausgehandelt. Eine niedrige Vergütung von Leistungen zieht indes ein geringes Lohniveau nach sich. Die Verhandlungspartner haben sich im Rahmen der KAP.Ni darauf verständigt, in Zukunft Finanzierungslücken und Liquiditäts-Engpässe aufgrund schleppender Verhandlungen zu vermeiden. Das schafft mehr Sicherheit, sowohl für die Anbieter also auch für die bei ihnen beschäftigten Pflegekräfte.
Die Abrechnung der Leistungen in der ambulanten Pflege erfolgt zu einem großen Teil über sogenannte Leistungskomplexe (zu einem Paket zusammengefasste pflegerische oder hauswirtschaftliche Leistungen). Diese werden pauschaliert abgerechnet. Ihre Vergütung wird durch die Kassen nun pauschal um fünf Prozent angehoben. Die Wirksamkeit zusätzlicher Faktoren, wie etwas gezielter Bewegung (Mobilisierung von Patientinnen und Patienten), wird in einem Modellprojekt überprüft – mit Perspektive der Integration dieser Leistung in die Leistungskomplexe.
3) Gerechte Vergütung der Anfahrtszeiten ambulanter Pflegekräfte
Insbesondere in ländlichen Regionen wird den ambulanten Pflegekräften ihre lange Anfahrt zum Pflegebedürftigen nicht angemessen vergütet – das trägt zum Rückgang des Angebots von ambulanten Leistungen in der Fläche bei. Dieser Entwicklung wollen die KAP.Ni-Partner mit einer Erhöhung der sogenannten Wegepauschalen entgegentreten.
Sie haben vereinbart, dass bei einer Entscheidung zu einer bundeseinheitlichen Vergütung die verbesserten Konditionen umgehend und ohne weitere Verhandlungen für Niedersachsen umgesetzt werden. Pflegebedürftige sollen nach dem Grundsatz „ambulant vor stationär“ so lange wie möglich in der vertrauten Umgebung leben können – dazu ist ein flächendeckendes Angebot an ambulanten Leistungen unverzichtbar.
Das Land stellt deshalb jährlich fünf Millionen Euro über das Förderprogramm „Stärkung der ambulanten Pflege im ländlichen Raum“ zur Verfügung. Maßnahmen zur Stärkung ambulanter Pflegedienste sind immer auch ein Beitrag zur Entlastung von Angehörigen Pflegebedürftiger.
4) Konkrete Erleichterungen und Unterstützung für Pflegekräfte
Pflegeanbieter werden dabei unterstützt, den Pflegekräften ein qualifiziertes betriebliches Gesundheitsmanagement anzubieten. Das kann von der Verbesserung der Ergonomie bei Arbeitsabläufen bis hin zu Angeboten zur Stressbewältigung reichen. Die niedersächsischen Kassen stellen dazu im Rahmen des Pflegepersonal-Stärkungsgesetzes zusätzliche Mittel in Höhe von circa sieben Millionen Euro pro Jahr zur Verfügung. Diese Gelder werden bislang insbesondere von kleinen Pflegeanbietern kaum abgerufen. Die Kassen werden die Nutzung dieser Finanzmittel unterstützen und die Beantragung mit einem Online-Portal erleichtern.
Die Pflegekräfte sind außerordentlichen Belastungen ausgesetzt, sie arbeiten in der ambulanten Pflege oftmals in geteilten Schichten (Arbeitszeit auf morgens und abends aufgeteilt). Mit einem Gesundheitsmanagement und besonderen Angeboten zur Entlastung können sie gestärkt und ihr Verbleib im Beruf beziehungsweise eine Erhöhung der vertraglichen Wochenarbeitszeit erreicht werden. Mit einer zusätzlichen Anlaufstelle sowie anhand von Best-Practice-Beispielen werden Pflegedienste auf die Möglichkeiten in diesem Bereich hingewiesen.
Unterstützt wird auch der Start neuer Arbeitsmodelle, die die Vereinbarkeit von Familie und Beruf verbessern – auch hierfür stehen Mittel der Kassen bereit.
5) Abbau von Dokumentationspflichten und Entwicklung innovativer Versorgungsansätz
Innovationslabore sollen die Pflege in Niedersachsen weiterentwickeln und dabei insbesondere die Chancen der Digitalisierung für Verbesserungen zu Gunsten der Pflegebedürftigen und Pflegekräfte herausstellen. Neue Versorgungsansätze wie etwa das niederländische Buurtzorg-Modell sollen Pate stehen. Bei diesem entscheiden die Pflegekräfte selbst eigenverantwortlich in Teams über den Umfang der im Einzelfall zu leistenden Pflege und dokumentieren nicht die geleistete Arbeit, sondern den Zustand des Pflegebedürftigen.
Auf der Basis vertrauensvoller Zusammenarbeit und engerer Kooperation zwischen den Abrechnungspartnern (Anbieter und Pflegekassen) sollen in Niedersachsen Dokumentationspflichten reduziert beziehungsweise die Dokumentation erleichtert werden, zum Beispiel durch den Einsatz von Tablets bei ambulanten Pflegekräften. Auch in Altenheimen können Arbeitsabläufe durch elektronische Verarbeitung beschleunigt beziehungsweise erleichtert werden.
Pflegedienste werden verstärkt auf die für Digitalisierung bereitstehenden Bundesmittel (bis zu 12.000 Euro pro Pflegedienst) aufmerksam gemacht und bei der Beantragung unterstützt.
Zudem wird die Versorgungssteuerung optimiert. So ist eine gemeinsame, regionale, trägerübergreifende Plattform geplant, die über freie Pflegeplätze informiert.
6) Verbesserte Rahmenbedingungen durch Novelle des Nds. Pflegegesetzes
Mit der Novelle des Niedersächsischen Pflegegesetzes und der daraus resultierenden Landesförderung leistet auch das Land Niedersachsen einen wichtigen Beitrag für die Verbesserung der Rahmenbedingungen der Pflege in Niedersachsen und für die Zahlung von Tariflöhnen. Die Landesregierung hat heute dem Entwurf des neuen Pflegegesetzes zugestimmt und zur Verbandsbeteiligung freigegeben.
Die wichtigsten Neuerungen:
Investitionszuschüsse werden nur noch für Anbieter gewährt, die ihre Beschäftigten tarifgerecht bezahlen. Das gilt unter anderem für sämtliche Investitionskosten-Förderungen, die das Land im Rahmen des NPflegeG gewährt. Das jährliche Volumen dieser Förderung beläuft sich auf knapp 60 Millionen Euro. Damit werden die Bemühungen für eine flächendeckende angemessene Bezahlung in der Pflege unterstützt.
Außerdem wird mit Landesmitteln im Umfang von rund sieben Millionen Euro jährlich die Zahl der Kurzzeitpflege-Plätze erhöht. In der Kurzzeitpflege werden Menschen vorübergehend, beispielsweise nach einem Krankenhausaufenthalt, gepflegt, oder wenn die pflegenden Angehörigen in den Urlaub fahren möchten. Aktuell gibt es zu wenige Kurzzeitpflege-Plätze, die finanziellen Anreize für die Anbieter sind zu gering. Die künftige Förderung dieser Plätze ist also auch ein Beitrag zur Entlastung von Angehörigen.
Im Sozialministerium wird eine Beschwerdestelle für Pflegebedürftige, Angehörige und Pflegekräfte eingerichtet. Menschen, die die vorhandenen Anlaufstellen für Beschwerden nicht kennen, kann hier geholfen werden.
Die Partner der Konzertierten Aktion Pflege Niedersachsen haben zahlreiche weitere Maßnahmen vereinbart.
Zu den Erstunterzeichnern der Konzertierten Aktion Pflege Niedersachen zählen neben dem Land die folgenden Partner und Partnerinnen: die AOK, die AWO, der BKK Landesverband Mitte, der Bundesverband der privaten Anbieter (bpa), die Caritas, die Diakonie, das DRK, die IKK classic, der Jüdische Wohlfahrtsverband, die Knappschaft Bahn-See, der Paritätische Wohlfahrtsverband, die Niedersächsische Pflegekammer, der Unternehmerverband Niedersachsen (UVN), der Verband der Ersatzkassen (vdek) und ver.di.
Detaillierte Informationen finden Sie auf der Homepage des Sozialministeriums unter www.ms.niedersachsen/pflege.
***
Pressestelle der Niedersächsischen Landesregierung
Nds. Staatskanzlei
Planckstraße 2
30169 Hannover