Presseschau – Die Tagespost: Patzelt: Langfristig muss die CDU auf die AfD zugehen

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Würzburg/Brüssel (ots) – Nach den Ost-Landtagswahlen wird die Koalitionsbildung kompliziert. Ein Gespräch über Minderheitsregierungen und bröckelnde Brandmauern mit dem Politikwissenschaftler Werner J. Patzelt.

Professor Patzelt, nach den Landtagswahlen kann in Thüringen gegen AfD und BSW (Bündnis Sahra Wagenknecht) keine Mehrheitsregierung mehr gebildet werden; in Sachsen nur unter Zuhilfenahme der Linken. Welches Signal geht von diesen Wahlen für das Parteiensystem der Bundesrepublik aus?

Die Signalwirkung besteht darin, dass manche Leute in Deutschland begreifen könnten, dass die sogenannten Brandmauern gegen die AfD in Wirklichkeit Gefängnismauern für die CDU sind – und zwar in dem Sinn, dass die CDU gezwungen wird, grundsätzlich Bündnisse mit der SPD oder den Grünen oder dem BSW zu schließen, dass die CDU also davon abgehalten wird, die in der Bevölkerung vorhandene rechte Mehrheit in eine Mitte-Rechts-Regierung in den Parlamenten umzusetzen. Das ist das, was in Thüringen offensichtlich wird. Die CDU wird hier mit dem BSW koalieren müssen und so tun müssen, als sei das eine Partei, die mit der Linken im Grunde nichts zu tun hätte. Das wird die Glaubwürdigkeit der CDU für jenen Teil der Wählerschaft, der CDU-Positionen unterstützt, aber keine grüne, linke oder sozialdemokratische Politik wünscht, nicht gerade verbessern. Infolgedessen geht von den Koalitionsverhandlungen in Thüringen und Sachsen eine wichtige Signalwirkung für den kommenden Bundestagswahlkampf einher: Da wird die CDU ebenfalls erklären müssen, mit wem sie denn koalieren möchte. Und wenn da die Botschaft ist, dass es mit der AfD gar nicht geht, wird jeder Wähler sich ausrechnen können, dass es anschließend auf eine Koalition mit SPD, Grünen und BSW hinausläuft.

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Niemand kann die Thüringer AfD daran hindern, im zweiten Wahlgang Mario Vogt zum Ministerpräsidenten zu wählen, so wie sie 2020 Thomas Kemmerich (FDP) gewählt hat. Damit kann die AfD dann sagen: Schaut her, wir sind unserer Verantwortung gerecht geworden und haben einen CDU-Ministerpräsidenten gewählt, ist das wirklich ein Kennzeichen einer Nazi-Partei? Und Sahra Wagenknecht wird nicht müde, in Interviews immer wieder zu erklären, dass es sich weder mit der politischen Vernunft, noch mit dem Prinzipien pluralistischer Vernunft vereinbaren lässt, einen jeden Antrag der AfD nur deswegen abzulehnen, weil er von der AfD kommt – oder eine jede Kandidatur zurückzuziehen, wenn das Risiko besteht, dass die AfD mitwählt. Infolgedessen werden die Brandmauern der CDU ohnehin immer dünner, bis sie eines Tages einstürzen werden.

In Thüringen reicht auch eine Koalition mit dem BSW nicht, zusätzlich müsste die CDU die Linke einbinden. Ist eine Koalition mit der Linken für die CDU noch unangenehmer als mit dem BSW?

Das macht erst recht deutlich, dass die sogenannten Brandmauern eher Gefängnismauern sind. Allerdings gibt es in Thüringen ja das Vorbild der Ramelow’schen Minderheitsregierung. Was spräche dagegen, nachdem die CDU nun jahrelang eine linke Minderheitsregierung toleriert hat, dass die Linke nun eine CDU-geführte Minderheitsregierung toleriert? Bodo Ramelow hat ja ohnehin wiederholt angekündigt, dass er Mario Voigt behilflich sein wird, wenn dieser das Ministerpräsidentenamt anstrebt. Und wenn es dazu notwendig ist, die Linke zu einer derartigen Tolerierung zu verpflichten, dann wird er es wohl so unternehmen.

„Das historische Beispiel dazu ist ja Willy Brandt. Der hat den Grünen, die sich damals als Anti-Parteien-Partei verstanden, an einem berühmt gewordenen Wahlabend eröffnet, sie könnten eines Tages mit der SPD regieren, wenn sie sich denn vernünftig aufstellen würden.“

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Wäre das das Modell, das Sie der CDU ans Herz legen würden?

Das ist… Lesen Sie hier das ganze Interview:

https://www.die-tagespost.de/politik/patzelt-langfristig-muss-die-cdu-auf-die-afd-zugehen-art-254988

Werner J. Patzelt gilt als einer der profiliertesten deutschen Politikwissenschaftler. Von 1991 bis 2019 war er Inhaber des Lehrstuhls für Politische Systeme und Systemvergleich an der TU Dresden. Derzeit ist er Forschungsdirektor des Mathias Corvinus Collegiums in Brüssel.

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Text: Die Tagespost