Presseschau – Bielefeld (NRW) – Horst Seehofer ein CSU-Ministerpräsident auf Abruf, Martin Schulz als SPD-Parteichef bloß noch geduldet und die geschäftsführende Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) schwach wie nie. Große Karrieren neigen sich in diesen grauen November-Tagen unaufhaltsam dem Ende entgegen, auch wenn sich das mitunter quälend lang hinziehen mag. Entschlossen, geschweige denn klug, wird der Generationswechsel nirgendwo angepackt.
Gravierender aber noch: Unser politisches System wandelt sich tiefgreifend. Die Republik ist im Schwebezustand und Deutschland scheint festzustecken im Dazwischen – mit historisch vielen Parteien im Parlament, aber so wenig Regierungswillen und Regierungsfähigkeit wie selten zuvor. Die alten Muster greifen nicht mehr richtig, neue sind noch nicht erprobt. Auch das haben die gescheiterten Jamaika-Sondierungen gezeigt: Wer heute seine Handlungsfähigkeit beweisen will, muss vielleicht mehr als je zuvor bereit sein, seine Haltung zu riskieren. Denn immer gibt es einen, der die vermeintlich reine Lehre vertritt – und zwar links wie rechts.
Eine neue Große Koalition, die diesen Namen an den Zahlen gemessen ohnehin kaum mehr verdient, dürfte diesen Trend verschärfen. Erst recht, da sie nicht der Entschlossenheit der beteiligten Parteien zu verdanken sein wird, sondern vielmehr einem beherzt und besonnen zugleich agierenden Bundespräsidenten. Nie war ein politischer Profi im Schloss Bellevue wertvoller als in diesen Tagen. Frank-Walter Steinmeier muss erledigen, was Angela Merkel nicht hinbekommt. Allein das spricht Bände.
Der nun eingeschlagene Weg ist richtig und bleibt doch ein Akt der Not – eine Allianz der Ohnmacht, die einzig auf der gemeinsamen und mehr als berechtigten Angst vor Neuwahlen gründet. Dabei ist es bittere Ironie, dass die SPD derzeit auch noch die Prügel abbekommt, obwohl CDU und CSU zuvor am Auftrag zur Regierungsbildung gescheitert sind.
Freilich haben die Sozialdemokraten selbst kräftig zu dieser Misere beigetragen. Nein, sie sind nicht nur das Opfer von Angela Merkel – auch wenn die Partei längst eine erstaunliche Routine darin entwickelt hat, sich das selbstmitleidig einzureden. Fakt ist vielmehr: Selten hat eine Partei in einem Wahlkampf so viele Fehler gemacht wie dieses Mal die SPD. Die Liste ist schier endlos und reicht vom 100-Prozent-Rausch bis zum vollkommen übereilten Ausschluss einer abermaligen Regierungsbeteiligung unter Führung der CDU/CSU am Wahlabend. Als »Umfaller der Woche« zieht Martin Schulz nun allen Spott auf sich, während Angela Merkel beinahe unbeschadet vor sich hinschweigen kann. Von dem FDP-Hasenfuß Christian Lindner ganz zu schweigen: Wer spricht jetzt noch von seiner eitel zur Schau gestellten Flucht in die Verantwortungslosigkeit?
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