Tödliche Gewalt gegen Frauen – 360 Femizide pro Jahr – In Deutschland endet nahezu jeden Tag das Leben einer Frau – nicht durch Krankheit oder Unfall, sondern durch Gewalt, die nur deshalb gegen sie verübt wird, weil sie eine Frau ist. Diese traurige Realität wird in den Medien zunehmend als „Femizid“ thematisiert, ein Begriff, der die geschlechtsspezifische Tötung von Frauen beschreibt. Hinter diesen Verbrechen stehen erschreckende Zahlen, die das Ausmaß dieses gesellschaftlichen Problems verdeutlichen.
360 Femizide im Jahr – Ein erschütternder Alltag
Laut dem aktuellen Lagebild des Bundeskriminalamts (BKA) wurden allein im Jahr 2023 in Deutschland 938 Frauen und Mädchen Opfer von versuchten oder vollendeten Tötungsdelikten. Dabei endeten 360 dieser Fälle tödlich – das sind im Durchschnitt fast eine Frau pro Tag. Die meisten dieser Taten ereignen sich im häuslichen Umfeld: Über 80 Prozent der weiblichen Opfer wurden von ihrem Partner oder Ex-Partner getötet.
Frauenrechtsorganisationen wie Terre des Femmes fordern seit Jahren eine stärkere gesellschaftliche und politische Auseinandersetzung mit diesem Problem. Christa Stolle, Bundesgeschäftsführerin der Organisation, betont: „Viele dieser Femizide hätten verhindert werden können, wenn Frauen rechtzeitig Hilfe erhalten hätten.“
Mehr Schutzmaßnahmen dringend erforderlich
Neben den Tötungsdelikten ist auch die Zahl der Sexualstraftaten gegen Frauen gestiegen. Im Jahr 2023 wurden 52.330 Fälle von Sexualstraftaten gemeldet – ein Anstieg von 6,2 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Besonders erschreckend: Über die Hälfte der Opfer waren Mädchen unter 18 Jahren. Diese Zahlen zeigen, dass die Schutzmechanismen in Deutschland oft nicht ausreichen, um Frauen und Mädchen vor Gewalt zu bewahren.
Die Bundesregierung hat auf diese alarmierenden Entwicklungen reagiert. Bundesfrauenministerin Lisa Paus kündigte an, ein neues Gewalthilfegesetz auf den Weg zu bringen, das allen Betroffenen einen Anspruch auf Schutz und Beratung garantiert. Dazu zählen niedrigschwellige Angebote wie Schutzwohnungen, Beratungsstellen und Hotlines.
Die Schattenseite der Partnerschaft
Die Gewalt gegen Frauen zeigt sich besonders in engen sozialen Beziehungen. Laut dem BKA wurden 2023 über 143.000 Fälle häuslicher Gewalt registriert, die von Bedrohungen und Körperverletzungen bis hin zu schweren Tötungsdelikten reichen. Experten schätzen, dass die Dunkelziffer weitaus höher liegt, da viele Opfer aus Angst oder Scham keine Anzeige erstatten.
Prävention und gesellschaftliche Verantwortung
Die Bekämpfung von geschlechtsspezifischer Gewalt erfordert nicht nur stärkere Gesetze, sondern auch einen gesellschaftlichen Wandel. Präventionsprogramme, die schon in Schulen ansetzen, könnten helfen, problematische Geschlechterrollen und toxische Verhaltensmuster aufzubrechen. Auch eine bessere Ausbildung von Polizei und Justiz im Umgang mit Betroffenen ist notwendig, um Frauen wirksam zu schützen.
Was muss sich ändern?
Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: Deutschland muss den Schutz von Frauen vor Gewalt zur Priorität machen. Dazu gehört:
- Mehr Unterstützung für Frauenhäuser: Derzeit gibt es bundesweit etwa 360 Frauenhäuser. Viele davon sind jedoch chronisch unterfinanziert und können nicht alle Hilfesuchenden aufnehmen.
- Schneller Zugang zu rechtlichem Schutz: Betroffene benötigen schnellen Zugang zu Kontaktverboten und Schutzanordnungen.
- Gesellschaftliche Sensibilisierung: Öffentlichkeitskampagnen können dazu beitragen, die Bevölkerung für das Thema zu sensibilisieren und die Hemmschwelle zu senken, Hilfe in Anspruch zu nehmen.
Frauenhäuser und Notrufnummern: Ein lebenswichtiger Schutz in der Krise
In Deutschland existieren rund 350 Frauenhäuser und etwa 40 Frauenschutzwohnungen, die jährlich etwa 17.000 Frauen Schutz bieten (Statista). Dennoch fehlen gemäß den Vorgaben der Istanbul-Konvention etwa 14.000 Plätze, um den Bedarf vollständig zu decken (BR.de).
Das bundesweite Hilfetelefon „Gewalt gegen Frauen“ ist unter der europaweit einheitlichen Nummer 116 016 rund um die Uhr erreichbar. Es bietet vertrauliche und anonyme Beratung in 18 Sprachen und ist barrierefrei zugänglich (Hilfetelefon). Seit seinem Start im März 2013 hat es sich als wichtige Anlaufstelle für Betroffene etabliert (Bundesregierung).
Trotz dieser Angebote sind Frauenhäuser oft überlastet und unterfinanziert. Viele Einrichtungen müssen Frauen abweisen, da die Kapazitäten nicht ausreichen (taz). Zudem müssen etwa 25 % der Bewohnerinnen die Kosten für ihren Aufenthalt selbst tragen, was für viele eine zusätzliche Belastung darstellt (taz).
Die Bundesregierung plant daher, den Ausbau und die finanzielle Sicherung von Frauenhäusern und Beratungsstellen voranzutreiben, um den Schutz und die Unterstützung für gewaltbetroffene Frauen zu verbessern (Bundesregierung).
Für Betroffene ist es wichtig zu wissen, dass sie nicht allein sind und Unterstützung in Anspruch nehmen können. Neben dem Hilfetelefon bieten lokale Beratungsstellen und Frauenhäuser Hilfe an. Auch Angehörige und Freunde können sich an diese Einrichtungen wenden, um Unterstützung für Betroffene zu erhalten (BMFSFJ).
Die steigende Zahl von Femiziden und anderen Formen der Gewalt gegen Frauen in Deutschland erfordert ein entschlossenes Handeln von Politik, Gesellschaft und Justiz. Es bedarf umfassender Präventionsmaßnahmen, effektiver Schutzmechanismen und einer Sensibilisierung der Öffentlichkeit, um diese tragischen Verluste zu verhindern und die Sicherheit von Frauen zu gewährleisten.
Ein Weckruf für Politik und Gesellschaft
Jeder Femizid ist ein Weckruf für Politik und Gesellschaft. Die erschreckenden Zahlen zeigen, dass Deutschland einen radikalen Kurswechsel braucht, um Frauen besser zu schützen und Gewalt an ihnen nachhaltig zu bekämpfen. Es ist an der Zeit, Prävention, Schutz und Strafverfolgung gleichermaßen zu stärken – nicht morgen, sondern heute (hk).